Vorgeschichte
Als übergewichtiger Mensch mit Spondylolisthesis an L5 habe ich leider ein paar spezielle Anforderungen an meine Schlafunterlage. Technisch ist das einfach zu beschreiben: alles, wodurch bei der Nachtruhe eine Kraft auf die Defektstelle in der Wirbelsäule einwirkt, verursacht entsetzliche Schmerzen.
Wenn in Rückenlage der Arsch zu tief durchsinkt: Schmerzen. Wenn in Seitenlage die Hüfte absackt: Schmerzen. Wenn der Hintern zu weit oben bleibt, weil die Matratze zu hart ist: Schmerzen.
Vor allem gehen die Schmerzen nicht weg, wenn man aufsteht. Die Verschiebung der Wirbel ist recht träge, man quält sich u. U. stundenlang mit dem, was einem das Bett angetan hat.
Jetzt braucht man mangels Alternativen oft eine gewisse Zeit, bis man das Bett als Verursacher ausgemacht hat. Dann weiß man endlich: die durchgelegene Matratze ist schuld. Und kauft sich eine neue.
Darauf nun wartet das Matratzenkartell. Es wird uns ein wahnsinnig teures Stück Schaumstoff verkauft. Meine Oma sagte:"wer billig kauft, kauft zweimal", und so überlegt man sich: nimmt man das Modell für 100 €, und schläft vielleicht von Anfang an schlecht, spätestens aber nach einem Jahr wieder? Oder investiert man 700€ und hofft, dass es besser wird? Probeschlafen vielleicht? Man kriegt 6 Jahre Garantie... (welcher Depp bringt seine versiffte Matratze nach 5 Jahren zurück zum Händler?)
Man stellt nach 9 Monaten fest, dass der Hintern wieder in eine durchgelegene Kuhle fällt, weigert sich aber, diese Erkenntnis anzunehmen, weil die Matratze so teuer war. Die _kann_ noch nicht kaputt sein...
Der lokale Matratzen-Mafioso teilte schließlich den Gesamtpreis durch die Anzahl der Nächte, die innerhalb der Garantiezeit durchschlafen werden, und rechnete einem vor, dass ein gesunder Schlaf doch 34 Cent pro Nacht wert sei. Er erzählt uns was von irgendwelcher Feuchtigkeit, die literweise durch das Material gesaugt werde, und dass sowieso ein vernünftiger Lattenrost unter der teuren Matratze unerlässlich sei. Den verkauft er uns dann gleich mit.
Und wir versuchen nun, mit dem kaputten Rücken sowohl Lattenrost als auch Matratzenungetüm nach Hause zu schaffen, die vorherige zu entsorgen, und all das, um dann nach kurzer Zeit wieder um Mitternacht vor Schmerzen wach zu werden...
Recherche
In den einschlägigen Foren wird einem dann als nächstliegende Möglichkeit das Wasserbett genannt. Ich habe nie auf einem Wasserbett geschlafen, ich weiß nur, dass es noch teurer ist und zusätzlich einen gehörigen logistischen Aufwand erfordert. Es ist irrsinnig schwer, und wenn es kaputt geht, hat man das Wasser im Schlafzimmer. Und man muss das Wasser auch erst einmal hinein bekommen. Dann muss es auch noch beheizt werden... dass das nicht für mich in Frage kommt, war mir klar. Aber was sonst? Luft statt Wasser, das müsste doch gehen...
Ausprobieren
Die gewöhnliche Luftmatratze kannte ich schon als Kind als Ersatz-Schlafstätte. Vor die Nachtruhe hatte der Erfinder das Pumpen gesetzt, und das ist bis heute erst einmal nicht anders. Ich kaufte mir also testweise im Campingbedarf eine billige Luftmatratze, gab ordentlich Druck drauf - und siehe da: kein Rückenschmerz mehr.
Okay, das geht noch eine Spur besser: es gibt ein paar Firmen, die selbstaufblasende Indoor-Luftbetten verkaufen. Meine Erfahrungen beziehen sich fast ausschließlich auf Produkte der Firma Intex, sollte der geneigte Leser andere Hersteller bevorzugen, sei dagegen nichts eingewendet.
Einsatz
Mittlerweile schlafe ich zu Hause ausschließlich auf Intex-Luftbetten mit eingebauter Pumpe. Ich probierte verschiedene Modelle, und es war für den Rücken eigentlich immer egal gut, welches genaue Modell zum Einsatz kam. Dadurch, dass man den Druck im Bett schnell mit einem Handgriff regulieren kann, lässt sich eine perfekte Schlafunterlage im Nu schaffen. Ab sofort kamen die Schmerzen nicht mehr von der Nachtruhe, sondern sie ließen sich in jedem Fall durch etwas Herumliegen auf dem Luftbett reduzieren.
Dabei ist es noch nicht einmal wesentlich, immer dieselbe stramme Druckeinstellung zu haben. Auch in deutlich weicherer Abstimmung beklagt sich mein Rücken nicht. Die Plastikplane scheint weniger punktuell nachzugeben als vielmehr "hängemattenartig".
Erfahrungen - Gegen-Gegenargumente
Das Gerede um das "Schmoren im eigenen Saft" und all der Blödsinn, den der Vertreter der Matratzen-Mafia hinsichtlich Feuchtigkeit blubbert, ist Quatsch. Natürlich verliert man nicht literweise Wasser durch die Haut, wäre das so, wäre man morgens nicht mehr wach, sondern tot. Beim Atmen geht über die Lungenschleimhaut einiges an Wasser verloren, und wer dazu neigt, im Schlaf zu schwitzen, der wird natürlich etwas Feuchtigkeit abgeben. Der größere Teil des Körpers hat aber keinen Kontakt zur Matratze. Und selbst wenn: auf der nackten, normalerweise beflockten, Luftbettoberfläche liegt man sowieso nie. Man braucht eine isolierende Decke darunter, sonst friert man sich den Arsch ab. Und ein Spannbettuch ist aus hygienischen Gründen obligatorisch.
Außerdem ist ein Wasserbett, was ja immer als ultimative Lösung angesehen wird, für Feuchtigkeit auch nicht durchlässig. Jedenfalls im angestrebten Zustand, sage ich mal...
Erfahrungen - Vorteile gegenüber der klassischen Matratze
- Man bekommt einen Karton geschickt, der ungefähr so groß ist wie eine halbe Getränkekiste. Bei sehr luxuriösen und/oder großen Betten auch mal einen, der so groß ist wie eine ganze Kiste Cola. Eine Stofftasche gibt es immer noch dazu, für die fällt einem dann noch ein passender Verwendungszweck ein, weil recht groß.
- Einen Lattenrost braucht man normalerweise nicht. Einen Bettkasten auch nicht. Das Möbel kann entsorgt werden.
- Stecker rein, einschalten. Das Aufblasen geht zügig vonstatten, wenn auch mit staubsaugerartigem Lärm.
- Das Ventil ist von liegender Position aus zu erreichen. Ich - für mich - brauche einen eher maximal aufgeblasenen Zustand.
- Keine Chance den Hausstaubmilben.
- Entsorgung: Ventil auf Absaugen stellen, leerpumpen lassen, dann ab in den Müll. Gutwillige schneiden vorher die Pumpe raus und geben sie zu den Elektrogeräten, dazu reicht eine normale Schere oder ein Messer.
- Es kostet zwischen 30 und 90 Euro, je nach Ausführung, und hält ca. ein halbes Jahr. Das ist allemal günstiger als eine Matratze für 700 €, die dann trotzdem nach einem Jahr schmerzhaft wird.
Erfahrungen - Besonderheiten und evtl. Nachteile
- Selbst die ganz großen Betten sind im aufgepumpten Zustand so stabil, dass ein 120-Kilo-Kerl wie ich problemlos drüberlaufen kann. Man sinkt nicht ein.
- Das Bett ist innerlich zwischen Unter- und Oberseite versteppt (bei Intex heisst es "Dura-Beam"). Dadurch bleibt es ein Quader und wird keine Kugel.
- Die ganz tollen Exemplare sind auch die eher anfälligsten. Wer unbedingt 60cm Höhe braucht oder die Ritze für das Spannbettuch, mag die nehmen. Für den Rücken tun es auch die einfachen Modelle.
- Wenn ein Loch drin ist, ist die Herrlichkeit vorbei und der Schlaf sowieso. Es empfiehlt sich unbedingt, zwei weitere Betten in Vorrat zu haben. Zwei deshalb, weil auch schon mal Produktionsfehler möglich sind, die ein neues Bett undicht machen. Offensichtliche Löcher kann man flicken, aber es gibt auch versteckte. Und wer klebt gerne nachts rum? Dass man sich damit die Garantieansprüche versaut, ist (für mich) hinnehmbar.
- Das Bett wächst. Im Dauereinsatz dehnt sich ein anfangs sehr quaderförmiges Bett im Laufe mehrerer Monate um teilweise mehr als 15 Prozent aus, geschuldet der Dehnung des Kunststoffes. Das muss man berücksichtigen: ein King-Size-Bett, welches mit 2,10 Länge angegeben wird, erreicht später fast 2,50 Meter, die Differenz könnte zu Engpässen im Schlafzimmer führen.
- Die inneren Fasern reissen dann irgendwann ab. Dadurch wird das Bett nicht schlagartig unbrauchbar, kriegt aber unangenehme Beulen. Die teuren Exemplare halten dabei nicht länger als die billigen, der Fall tritt nach meiner Erfahrung nach ca. 5 bis 6 Monaten ein. Mein aktuell benutztes ist allerdings schon über ein Jahr in Gebrauch, voll aufgeblasen und bisher ohne Mängel, abgesehen vom freundlichen Größenzuwachs. Ich habe einmal versucht, die Lebensdauer zu verlängern, indem ich bei Nichtgebrauch immer etwas Druck abgelassen habe, jedoch schien das den gegenteiligen Effekt zu haben. Also, man kann es ruhig voll aufgeblasen stehen lassen und verschenkt dadurch nichts.
- Die Seitenwände sind relativ instabil, bei den billigen Modellen schlimmer, bei den hohen Modellen ebenfalls schlimmer. Wer sich an den äußersten Rand zu legen pflegt, wird rauskatapultiert.
- Der Luftinhalt hat die Temperatur des Schlafzimmers, daran ändert sich auch durch Draufliegen so schnell nichts. Ich lege deshalb eine Fleece-Decke zwischen Bett und Bettuch. Wer es gerne kühl mag, kann vielleicht darauf verzichten.
- Sowohl eine Fußbodenheizung drunter als auch eine Heizdecke oben scheinen keinen negativen Einfluss auf die Haltbarkeit zu haben.
- Die sehr großen Exemplare leiden im ausgedehnten Zustand darunter, dass sich der Boden etwas nach aussen wölbt. Das Bett wird dadurch zur Schaukel.
- Mir ist es noch nie passiert, versehentlich ein Loch durch die Haut gestochen zu haben, auch wenn ich mich gelegentlich bekleidet darauf fallen lasse.
- Unmittelbar nach der Inbetriebnahme riecht es etwas nach "Plastik". Das vergeht aber ganz gut. Ein neues Auto riecht schlimmer und länger.
- Ein pralles Luftbett hat einen "Sound". Es ist nicht lautlos wie eine Kaltschaummatratze.
- Man kann darauf sitzen, muss man aber eher nicht. Wer also sein Bett in der Studentenbude bei Partys als Sitzmöbel für 6 Personen einplant, sollte umdisponieren. (Übrigens verkauft Intex auch aufblasbare Sessel. Die haben den Vorteil, dass es, ähnlich wie bei Sitzsäcken, nahezu unmöglich ist, daraus wieder aufzustehen. Die Gäste bleiben also, wo sie sind.)
Anhang: Link zu meinem Luftbett-Dealer. Disclaimer: Ich habe keinen geschäftlichen Vorteil vom Teilen dieses Links. Er befindet sich hier nur zur Vervollständigung der Information im Artikel.